Schwerbehindert durch Morbus Crohn?

Krankheitssymptome wie Durchfälle, Bauchschmerzen oder –krämpfe stellen wohl für jeden Morbus Crohn-Patienten eine Belastung dar. Für einige Betroffene ist die Krankheit eine so große Bürde, dass sie kaum oder nur mit großen Schwierigkeiten am alltäglichen Leben partizipieren können. Sind Krankheitsverlauf und Symptome derart gravierend, sind Morbus Crohn-Patienten mitunter als schwerbehindert einzustufen. Doch was für den ein oder anderen wie eine Stigmatisierung ob der körperlichen Beeinträchtigung erscheint, gewährt vor allem Unterstützung in zahlreichen Lebensbereichen.

Was bedeutet „schwerbehindert“?


Wer als behindert bzw. schwerbehindert einzustufen ist, wird im Neunten Buch des Sozialgesetzbuches geregelt. Um festzustellen, ob eine Behinderung vorliegt, werden die körperlichen bzw. geistigen Fähigkeiten und der Gesundheitszustand eines durchschnittlichen Menschen derselben Altersklasse als Maßstab herangezogen. Hat der Betroffene im Vergleich hierzu dauerhafte psychische, körperliche oder intellektuelle Defizite, die ihm die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben erschweren, ist er als behindert einzustufen. Somit spielt nicht nur die Beeinträchtigung selbst eine Rolle. Irrelevant ist dagegen, ob die Behinderung angeboren ist oder durch eine chronische Erkrankung wie Morbus Crohn erst später eingetreten ist. Vielmehr werden vor allem die Konsequenzen auf die individuelle Lebenssituation in den Blick genommen. Entsprechend werden die Folgen der Beeinträchtigung in allen Lebensbereichen ermittelt. Dies spiegelt der Grad der Behinderung (GdB) wider, der in 10er Graden auf einer Skala von 20 bis 100 bestimmt wird. Somit wird der GdB nicht – wie oftmals fälschlicherweise angenommen - in Prozent angegeben. Für eine Schwerbehinderung bedarf es mindestens eines Behinderungsgrades von 50. Eine Gleichstellung ist unter Umständen bei einem Behinderungsgrad zwischen 30 und 50 möglich, wenn der Betroffene durch die Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten kann. Gleichgestellte Menschen erfahren – mit einigen Ausnahmen – ähnliche gesetzliche Vorzüge wie behinderte Menschen.


Wer nimmt die Einstufung vor?


Den Antrag auf Feststellung einer Schwerbehinderung muss der Betroffene in der Regel beim zuständigen Versorgungsamt einreichen. Mit seinem Antrag ermächtigt er die Behörde, Informationen beim behandelnden Arzt, Krankenhäusern oder etwa der Sozialversicherung einzuholen. Im Auftrag des Versorgungsamtes stellt dann ein Arzt den Grad der Behinderung und eventuell weitere gesundheitliche Merkmale fest. Hierbei werden bundesweit einheitlich festgelegte Beurteilungsregeln, die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“, herangezogen. Der Grad der Beschwerden, Beeinträchtigungen des Kräfte- und Ernährungsstandes sowie tägliche oder nächtliche Durchfälle sind hierbei Anhaltspunkte für die Feststellung des GdB bei Morbus Crohn-Patienten. Bei Kindern können auch Wachstums- und Entwicklungsstörungen eine Rolle spielen. Allerdings dienen diese Grundsätze lediglich als Orientierungshilfen. Entscheidend sind vor allem die konkreten Umstände des Einzelfalls. So können auch weitere chronische Krankheiten, die nicht zwangsläufig in einem Zusammenhang mit Morbus Crohn stehen müssen, entscheidend sein.


Kann gegen die Beurteilung Widerspruch eingelegt werden?


Erscheint die Beurteilung des Versorgungsamt als zu niedrig, kann der Betroffene noch einen Monat nach Zustellung des Bescheids Widerspruch einlegen. In diesem Fall sei zudem angeraten, Akteneinsicht zu verlangen. Nur so kann der Patient die Entscheidung des Versorgungsamtes nachvollziehen und überprüfen, ob etwa alle ärztlichen Einschätzungen hinreichend gewürdigt wurden. Auch darüber hinaus stehen dem Patienten weitere rechtliche Schritte zur Verfügung: Bleibt der Widerspruch erfolglos, kann er eine Klage beim Sozialgericht anstrengen.


Welche Vorteile haben Menschen mit offizielle anerkannter Schwerbehinderung?


Schwerbehinderte Menschen sehen sich durch ihre Beeinträchtigung tagtäglich mit zahlreichen Nachteilen konfrontiert. Um dies möglichst abzufedern, können sie besondere Unterstützung im Arbeitsleben erfahren und Nachteilsausgleiche geltend machen. Um ihren Anspruch hierauf nachweisen zu können, müssen sie einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Hier werden der Grad der Behinderung sowie weitere gesundheitliche Merkmale durch Merkzeichen eingetragen.
- Schwerbehinderte genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung darf ihnen gegenüber nur mit vorheriger Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochen werden. So soll sichergestellt werden, dass nicht die Schwerbehinderung selbst Kündigungsgrund ist, sondern Möglichkeiten gesucht werden, um krankheitsbedingte Einschränkungen auszugleichen.
- Zudem steht Schwerbehinderten ein Zusatzurlaub zu: Sie haben einen Anspruch auf fünf zusätzliche bezahlte Urlaubstage im Jahr. Arbeiten sie mehr oder weniger als fünf Tage in der Woche, erhöht bzw. vermindert sich die Zahl der Urlaubstage entsprechend. Außerdem sind sie auf ihr Verlangen hin von Mehrarbeit freizustellen. Dies ist im Sinne der Rechtsprechung der Fall, wenn täglich eine Arbeitszeit von 8 Stunden oder eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden überschritten wird.
- Ein schwerbehinderter Arbeitnehmer kann außerdem eine vorgezogene Altersrente erhalten. Hierzu muss er bereits zu Beginn der Rente offiziell als solcher anerkannt sein und mindestens 35 Jahre der Rentenversicherung angehört haben. Auch steuerliche Vorteile – wie z.B. ein jährlicher Pauschalbetrag - können geltend gemacht werden.
- Je nach zusätzlichem Merkzeichen stehen Schwerbehinderten zudem weitere Leistungen zu, wie besondere Parkausweise.
- In vielen Freizeit- und Kultureinrichtungen gelten bei Vorlage des Schwerbehindertenausweises darüber hinaus ermäßigte Eintrittspreise.


Benachteiligung durch Behinderung?


Trotz der dargestellten Erleichterungen zögern einige Betroffene, überhaupt einen Antrag auf eine offizielle Anerkennung der (Schwer)Behinderung zu stellen. Denn häufig ist die Furcht vor einer Ausgrenzung durch den Behindertenstatus, z.B. bei der Suche nach einem Arbeitsplatz, zu groß. Doch eine Benachteiligung eines Arbeitnehmers wegen seiner Behinderung ist nicht rechtens. Das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verbietet es ausdrücklich, behinderte Bewerber mit derselben Qualifikation wie ihre Mitbewerber wegen ihrer Behinderung abzulehnen. Aus rechtlicher Sicht sollten derartige Befürchtungen somit kein Hindernis sein.